Natur und Kultur jenseits der Semiotik

Den programmatischen Auftaktvortrag zum Kolloquium hält der Ethnologe Dr. Thorsten Gieser, Institut für Kulturwissenschaft,  mit dem Titel:

In-der-Welt-sein: Zum Denken über Natur/Kultur jenseits der Semiotik

In der Kulturwissenschaft dominiert seit Jahren ein semiotischer Ansatz die Erforschung des Natur-Kultur-Verhältnisses. Dieser Ansatz reduziert die „Natur“ zum Begriff, zum Zeichen, zum Text und reproduziert somit nicht nur eine Geist-Materie-Dichotomie, sondern auch eine scheinbar gefällige ‚Arbeitsteilung‘ zwischen den Naturwissenschaften einerseits und den Kulturwissenschaften andererseits. Lässt sich die Beziehung zwischen Natur und Kultur auch anders und besser verstehen? Inspiriert durch die Philosophie des ‚Schwarzwald-Philosophen‘ Martin Heidegger und Ethnographien von Jäger und Sammler-Kulturen wird in der Ethnologie seit einigen Jahren ein alternativer Ansatz bevorzugt, der den praktischen, leiblich-sinnlichen Umgang mit der Natur in den Mittelpunkt rückt. Am Beispiel der Jagd zeigt Dr. Gieser, wie die ‚Kultur des Jagens‘ aus ihrer Praxis heraus beginnt ‚Sinn‘ zu machen und ‚Bedeutung‘ zu erlangen – und dabei aktive natürliche Prozesse und Phänomene, als auch nicht-menschliche Tiere als kulturschaffende Akteure miteinbezieht. Somit bietet ein solcher praxisorientierter Ansatz einen Ort der Begegnung für Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften gleichermaßen.